Blog von GinkgoWolf

Grüne Orte: Sophie-Gips-Höfe in Berlin



Die Hackeschen Höfe am Hackeschen Markt in Berlin kennt (fast) jeder. Doch wie viele von den Menschen, die dort täglich ein und aus gehen – und sei es nur zum Gucken und Stöbern – kennen die nahe gelegenen "Sophie-Gips-Höfe"?

Wer sich aus dem Wirkungsbereich der Hackeschen Höfe weg wagt und auch in andere Straßen und Höfe schaut, der wird sie finden: Drei grüne Hinterhöfe, mitten im pulsierenden Herzen von Berlin. Hier, im ältesten Teil des heutigen Berliner Zentrums, etwa fünfzehn Gehminuten von der Berliner Museumsinsel oder dem Alexanderplatz entfernt, offenbart sich dem Besucher eine grüne Oase der anderen Art. Wo Rasen eine eigenständige Aussage entwickelt oder ein Rückzugsort inmitten von Häuserzeilen entsteht.

Von der Sophienstraße aus gelangt man durch einen Zugang in den begrünten Innenhof. Sobald die Strecke gegangen ist, verstummt der Lärm des Großstadtverkehrs, wird von der Bebauung zurückgehalten.



Der Hof 1 empfängt den Besucher mit einem Kunstwerk von Thomas Locher. Wie eine aufgeschlagene Buchseite setzt es sich von der mit Efeu und Wilden Wein begrünten Hausfassade ab. Der Blick fällt unweigerlich darauf, versucht zu begreifen, was da steht.



Eine Sammlung von Antonymen, Gegensätzen, ohne genaueren Sinn zueinander zusammengestellt, so scheint es. Doch vielleicht offenbart sich ihre verschlüsselte Botschaft erst für den Suchenden, wird erst logisch für den Denker oder Träumer.

Gelächter und das Klappern von Geschirr locken die Neugierigen weiter in den Hof 2. Das Café Barcomi lädt die Besucher der "Sophie-Gips-Höfe" zum Verweilen ein. Bei Kaffee und Kuchen lassen sich auch die Gedanken zur Bedeutung des Kunstwerks von Thomas Locher weiter ausführen. Oder man lässt vom Alltag los und genießt die Ruhe im Hinterhof.



Im Hof 2 gibt es auch noch ein anderes Kleinod zu entdecken. Ein kleiner Rückzugsort für die Bewohner der Häuserzeile. Dem Besucher bleibt ein genauerer Einblick durch ein schmales Tor verwehrt. Doch ist ein Blick des Neugierigen dennoch lohnenswert.



Durch eine Einfassung aus Hortensien (Hydrangea spec.) eröffnet sich dem Betrachter ein kleines Paradies. Einfach gehalten durch einen Klinkerweg, gesäumt von Efeu als bodendeckender Bepflanzung und ansprechender Gestaltung mit einer Bank und einem kleinen Wasserspiel. Ein immergrüner Garten, anspruchslos im Unterhalt und doch vielfältig in seiner Nutzung.


Detail aus der Hortensien-Pflanzung

Wer den Blick abwendet und weitergeht, der betritt den Hof 3. Sofort ist die Stimmung eine andere.



Die Hof-Mitte wird von einer Rasenfläche dominiert. Diese besteht jedoch nicht zu ebener Erde, sondern wird dem Betrachter auf Augenhöhe präsentiert. Er kommt nicht umhin, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Der grüne Rasen wird von Flächen rostroten Stahls durchbrochen, an die er sich anschmiegt und an Höhe gewinnt. Doch die Illusion ebener Fläche bleibt perfekt. Hügel und Rundungen sucht man hier vergeblich.



Die Installation ist ein Werk von Teresa Murak. Sie kann begeistern oder wird einfach als gegeben interpretiert.



Die begrünte Hausfassade erscheint dagegen als vollkommene Fläche einer Mauer gleich, die dem Betrachter den Weg zu versperren versucht oder sich ihm entgegenneigt. Ein Plattenweg führt zum Durchgang der Gipsstraße, doch er scheint unerreichbar fern zu sein. Da schweift ein Blick auf die Weite der Rasenfläche, über ihr nur der Himmel. Vielleicht einfach mal loslassen, einfach mal abseits bekannter Pfade zu gehen. Die Strenge verlassen, die Leichtigkeit genießen.

Es ist eine außergewöhnliche Lebensqualität, die hier inmitten der Häuserzeilen entsteht. Sie reicht vom Arbeiten, Wohnen bis zum Entspannen. Sicher tragen die grünen Orte einiges dazu bei, doch es ist auch das Ambiente, dass die Gebäude entstehen lassen.

Eine Klinkerfabrik der Jahrhundertwende, Lofts, Biedermeierhäuser und zeitgenössische Architektur vereinen sich mit ihren begrünten Innenhöfen zu einem unvergleichlichen Ensemble, das seinesgleichen sucht.

Die gesamte Anlage ist denkmalgeschützt. Der Sophienstraße 21 kommt dabei der Titel des ältesten Gebäudes zu – es wurde um 1863 errichtet – die ihn umgebenden Wohn- und Gewerbehöfe entstanden in den Jahren 1898/99. Das Bauwerk an der Gipsstraße ist ein Neubau, der von den Kunstsammlern Erika und Rolf Hoffmann hinzugefügt worden ist. Sie erwarben das Ensemble 1995 und haben innerhalb von zwei Jahren die Höfe liebevoll saniert. Im Hof 2 wurde ein Gebäude mit einem gläsernen Dachgeschoss konzipiert, das heute die Kunstsammlung des Ehepaars beherbergt.

Das Gelände ist täglich zwischen 9 und 22 Uhr frei zugänglich und wird durch Lichtinstallationen auch bei Dunkelheit sehenswert sein. Oder man genießt des Tags die Atmosphäre, die von Gebäudeensemble und Innenhofbegrünung erzeugt wird.

Wie komme ich hin?

U-Bahn-Linie U8 bis Weinmeisterstr.


Bearbeitet: 1x, zuletzt am 01.06.2018 - 17:29 Uhr